Iranische Kulturwochen
Oktober bis November 2022

Grußwort von Idun Hübner - ZBBS Kiel

Mein Onkel kam aus dem Iran und durch seine Erzählungen habe ich den Iran zum ersten Mal kennengelernt. Er gehörte zu den persischen Student*innen, die in Europa bzw. Deutschland in den 70er Jahren studierten. Viele haben sich gegen den Schah aufgelehnt und die iranische Revolution unterstützt. 1979 ist mein Onkel mit meiner deutschen Tante und meinen Cousins in den Iran zurückgekehrt. Er blieb dort, meine Tante und ihre Kinder kamen nach kurzer Zeit wieder nach Deutschland und ich habe aus erster Hand erfahren, wie die Situation für Frauen im Iran sich damals dramatisch verändert hat. Der erste Golfkrieg zwischen Iran und Irak, der von 1980 bis 1988 mit wahrscheinlich 500.000 Toten andauerte, war entsetzlich grausam aber für mich sehr weit weg.

Erst 2004 mit der großartigen Graphic Novel „Persepolis“ von Marjane Satrapi rückte Iran wieder in mein Bewusstsein. Die furchtbaren Geschichten, die die Student*innen nach der 2009 gescheiterten Grünen Revolution erzählten, haben mich zutiefst erschüttert. Sie erzählten von den öffentlichen Hinrichtungen, von den Verhaftungen und von den grausamen Foltermethoden in den Gefängnissen.

Mittlerweile habe ich viele Kolleginnen und Freundinnen mit iranischen Wurzeln. Von ihnen habe ich viel mehr über das sehr komplexe Land mit seiner diversen Kultur, seiner vielseitigen Geschichte und seiner heterogenen Gesellschaft erfahren.

Allein die geographische Lage des Iran zwischen Zentralasien, Kleinasien, Arabien und dem indischen Subkontinent hat zu einer hohen ethnischen Vielfalt geführt. Das kulturelle Gedächtnis der iranischen Bevölkerung ist von deren Vielfalt geprägt. Musik, Religion, Tradition, aber auch moderne Welt- und Wertvorstellungen haben ihren Platz in der Gesellschaft.

Ideologische und machtpolitische Ansprüche des autoritären islamischen Regimes behindern die freie Entfaltung der iranischen Gesellschaft. Viele Iranerinnen möchten einen Wechsel und riskieren weiterhin ihr Leben, um gegen das Regime zu protestieren. Im Mai 2022 trieb ein Preisanstieg um 300 Prozent zahlreiche Iranerinnen landesweit auf die Straßen. Innerhalb von wenigen Stunden vervierfachte sich beispielsweise der Preis für Speiseöl. Die Demonstrant*innen riefen „Tod der Diktatur“! Sicherheitskräfte reagierten mit Tränengas und Schlagstöcken. Man weiß nicht, wie viele Menschen inhaftiert bzw. umgebracht worden sind. Infolge der Proteste wurde das Internet heruntergefahren. Die jüngsten Unruhen fallen in eine Zeit, in der die internationalen Verhandlungen zum Atomabkommen mit Teheran stocken.

Die Zukunft der notleidenden iranischen Bevölkerung ist nach wie vor ungewiss. Aber es sind Frauen wie Masih Alinejad und viele anderen Menschen im Iran und in der Diaspora, die nicht aufgeben für einen demokratischen Staat, für eine freie und gerechte Gesellschaft zu kämpfen. Dieser Mut der Frauen und Männer, die trotz enormer Gefährdung innerhalb und außerhalb Irans weitermachen, macht uns auch Mut und wir stehen solidarisch mit ihnen.

An diese Stelle möchte ich mich herzlich bedanken bei unserem Kulturwochen-Team, unseren Netzwerkpartnerinnen und bei allen Akteurinnen, die das großartig vielfältige Programm für die Kulturwochen zusammengestellt haben. Wir freuen uns mit diesen Kulturwochen einen anderen Blick in den faszinierenden Iran mit all seinen bunten Facetten der Kultur, Geschichte und Gesellschaft geben zu können.

PDF-Programm 2022: Kulturwochen – Der andere Blick auf Iran